Das Valencianische — Eine Sprache des 21. Jahrhunderts
Vorwort
Das
Komitee für die Valencianische Sprache (CIV) — ein kultureller Verein zur
Förderung der valencianischen Sprache im Ausland — setzt seine Bemühungen
um eine bessere Kenntnis dieser Sprache im Ausland fort. Letztes Jahr
haben wir die Karte der Sprachgemeinschaften Europas mit grossem
Erfolg in Madrid, Brüssel und Lissabon vorgestellt, und jetzt geben wir
die vorliegende Broschüre heraus.
Das Valencianische ist eine romanische Sprache, die über zwei Millionen
Menschen im grössten Teil des valencianischen Gebiets sprechen. Heutzutage
überwindet es einen Rückgang, der im 18. Jahrhundert angefangen hat, als
es nach 500 Jahren aufhörte, Amts- und Prestigesprache zu sein.
Dank der Spanischen Verfassung von 1978 und der Valencianischen
Landesverfassung von 1982 ist die valencianische Sprache wieder
Amtssprache geworden. Eine neue Phase hat dann angefangen, in der sie in
die Schulen, in die Medien (zwei Fernsehkanäle, mehrere Rundfunksender,
Presse, usw.), in die öffentlichen Einrichtungen und sogar in einige
private Einrichtungen eingeführt worden ist. Zudem hat ihr sozialer
Gebrauch beträchtlich zugenommen.
Die Sektion für Sprache und Literatur der Königlichen Akademie der
Valencianischen Kultur — eine öffentliche Stiftung der Provinz Valencia —
hat die Norm für die Sprache mittels einer Orthographie (1979), einer
Grammatik (1980), einer formellen Dokumentation (1981) und eines
Wörterbuchs (1992) geschaffen. Andererseits gibt es immer mehr Autoren,
die das Valencianische als gewöhnliches Ausdrucksmittel gebrauchen; auch
die Veröffentlichungen wachsen ständig.
Trotz dieser grossen Entwicklung bleibt das Valencianische eine im Ausland
praktisch unbekannte Sprache. Um diese Unkenntnis zu bekämpfen, gibt das
CIV die vorliegende Broschüre heraus.
Eine solche Veröffentlichung war nötig, damit wir im Ausland erfolgreich
ankommen. In den verschiedenen Reisen, die das CIV in den letzten Jahren
gemacht hat, haben wir das grosse Interesse festgestellt, das unsere
Sprache bei den Sprachwissenschaftlern anderer Länder erregt, sowie die
Unmöglichkeit, ihnen Auskunft in ihrer eigenen Sprache zu erteilen. Dieser
Umstand machte es schwer, die Lage unserer Sprache bekannt zu machen.
Wir bedanken uns bei den Autoren, die diese Broschüre fertiggestellt haben:
Angel V. Calpe-Climent (Rechtslage), Antoni Fontelles-Fontestad
(Soziolinguistik), Josep Giner-Ferrando (Herkunft und Beschreibung)
und Josep Carles Rubio (Literaturgeschichte). Das CIV hofft,
weitere Projekte durchzuführen, die die sprachliche und kulturelle
Realität Valencias weltweit zur Kenntnis bringen
Bericht über die valencianische
Sprache
Die
folgenden Ausführungen geben einen Überblick über die Sprachlage, die
heute im spanischen Bundesland Comunitat Valenciana herrscht, vor
allem in Hinsicht auf die Debatte darüber, ob das Valencianische als
Sprache oder als Mundart gelten muss.
Die Comunitat Valenciana geniesst eine beträchtliche politische
Selbständigkeit seit Juli 1982, als ihre Landesverfassung verabschiedet
wurde. Ihre Ausdehnung beträgt 23.305 Km2; sie ist bewohnt von etwas mehr
als 4 Millionen Menschen. Die sprachliche Teilung des Landes ist vertikal:
der Küstenstrich spricht Valencianisch, das Hinterland spricht Kastilisch.
Die heutige Teilung ist eine Folge komplexer historischer und
demographischer Faktoren.
Der folgende Text ist in drei Teilen gegliedert: 1.
linguistischer und soziolinguistischer Teil, 2.
juridischer und politischer Teil, und 3.
bibliographischer Teil.
Die Ideen, die hier vorgetragen werden, sind sehr schematisch und
allegemein. Auch die Bibliographie enthält nur das Wesentliche.
1. Linguistische und soziolinguistiche Dimension
1.1. Allgemeines
Man hat die Sprachen traditionell unter dem historisch-diachronischen
Gesichtspunkt betrachtet. Die Sprachwissenschaftler kümmerten sich eher um
die Herkunft als um die gegenwärtige Lage der Sprachen. Demgemäss gibt es
in der Forschung über das Valencianische viele Anspielungen auf dessen
Herkunft: «es stammt aus dem Provenzalischen», «die Frauen aus Lerida
haben es mitgebracht», «die Grundlage ist das Latein», usw. Diese
Anspielungen haben aber nicht dazu geführt, dass man die Herkunft des
Valencianischen seriös erforscht.
Die Umorientierung der Sprachwissenschaft, die der Strukturalismus
eingeleitet hat, hat das Interesse für die Herkunft und die Evolution der
Sprachen nicht vermindert, sondern sie hat gelehrt, diese Forschungen
technischer und wissenschaftlicher durchzuführen. Die Geschichte einer
Sprache sieht man jetzt als einen kontinuierlichen Prozess, innerhalb
dessen das heutige Stadium bloss eine Phase mehr ist.
1.2. Sprache, Mundart, Spielart und Rede
Um weiter zu gehen, müssen wir eine der Definitionen kennen, die für diese
Begriffe vorgeschlagen worden sind. Uns dient als Beispiel die Definition
von Manuel Alvar (Alvar, M.: NRFH, XV, 51-60): a) Sprache: «Ein
Sprachsystem, das eine Sprachgemeinschaft gebraucht, deutlich
unterschieden ist, einen hohen Grad Nivellierung besitzt, als Vehikel
einer wichtigen literarischen Tradition dient und sich eventuell über
andere Sprachsysteme durchgesetzt hat» b)
Mundart: «Ein Zeichensystem, das sich von einer gemeinsamen (lebendigen
oder toten) Sprache abgetrennt hat; normalerweise ist es geographisch
abgegrenzt, aber es ist nicht deutlich unterschieden von anderen Sprachen
gleicher Herkunft» c)
Rede: «Ausdruckseigentümlichkeiten eines bestimmten Gebiets, aber ohne die
Kohärenz einer Mundart»
Der Terminus Spielart wird gebraucht in der Sprachsoziologie als wertfreie
Bezeichnung einer Sprachklasse, ohne die Konnotationen, die die anderen
Termini (Sprache, Mundart, Rede) haben.
Nach diesen Definitionen befindet sich das Valencianische wie viele andere
Sprachen in einer konfusen Lage. Es hat Kennzeichen einer Sprache genug:
das Problem liegt aber im Begriff eines «deutlich unterschiedenen
Systems», sowie in gewissen Fragen historischer Demographie (die
Reconquista durch Jakob I. im 13. Jahrhundert), die schwer zu beantworten
sind.
Es ist andererseits klar, dass das Valencianische, selbst wenn seine
Grundlage eine importierte Sprache wäre (das Katalanische des 13.
Jahrhunderts), das volle gesellschaftliche und soziolinguistische Recht
hat, heutzutage als eine Sprache zu gelten.
Wir müssen darüber hinaus bemerken, dass die Begriffe Sprache und Mundart
nicht auf dieselbe Art und Weise von den verschiedenen Kulturen bestimmt
werden. Sie haben also keine transkulturelle
Geltung (Romaine, S.: El lenguaje en la sociedad, 1996, bes.
Kap. 1).
1.3. Beziehungen zwischen Sprache und Mundart
Der Unterschied zwischen Sprache und Mundart verliert an Klarheit, wenn
man die Debatte in Betracht zieht, die sich immer wieder an die
Definitionen anschliesst (ein Grund dazu liegt in der ungleichen Achtung,
die die verschiedenen Sprachspielarten Spaniens im Laufe der neueren
Geschichte genossen haben).
Manchmal drücken sich zwei Sprecher ein und desselben Sprachgebiets mit so
verschiedenen «Spielarten» aus, dass wir den erwähnten Kriterien zufolge
behaupten könnten, dass es sich um zwei verschiedene Sprachen handelt (z.B.
die sogenannten Mundarten des Chinesischen). Oder verschiedene Sprachen
könnten als eine einzige Sprache gelten, weil deren Sprecher einander
verstehen (z.B. das Valencianische und das Okzitanische).
Andererseits war jede heutige romanische Sprache früher die Mundart einer
anderen Sprache und ist im Laufe der Zeit eine Sprache geworden.
Dieses Phänomen der Beförderung einer «Mundart» zu einer «Sprache» ist von
der Soziolinguistik erforscht worden, die kein unüberwindliches Hindernis
darin sieht, eine Mundart — vorausgesetzt, dass das Valencianische eine
solche wäre — als eine Sprache deshalb neu zu definieren, weil die
Sprachgemeinschaft es verlangt. Das entgegengesetzte Phänomen, nämlich
dass eine «Sprache» zu einer «Mundart» degradiert wird, kann auch
stattfinden (das ist der Fall der aragonischen Sprache).
1.4. Zur Definition der valencianischen Sprache
Streng wissenschaftlich verfahrend kann man sagen, dass kein einzelnes
Kriterium hinreicht, die mündliche Äusserung einer Gemeinschaft als eine
Sprache oder als eine Mundart zu bezeichnen. Normalerweise muss man auf
mehrere Gesichtspunkte zurückgreifen, um zu bestimmen, was ein Volk
spricht.
Ein oft gebrauchtes Kriterium ist das philogenetische Kriterium (die
genetische Klassifizierung der Spielarten). In anderen Fällen sind aber
die gesellschaftlichen, politischen, literarischen oder historischen
Faktoren bestimmend.
Bloss aufzählend können wir das Valencianische unter den folgenden
Gesichtspunkten als eine Sprache bezeichnen: a)
unter dem politischen Gesichtspunkt: eine Spielart gilt als eine Sprache,
weil die politische Macht bzw. die legale Vertretung einer Gemeinschaft es
so entschieden hat b)
unter dem geographischen Gesichtspunkt: eine legale Norm bestimmt den Raum,
den eine Sprachspielart einnimmt c) unter dem
historischen Gesichtspunkt: die Entwicklung des Valencianischen ähnelt der
Entwicklung anderer spanischen Sprachen, vor allem weil es klar geworden
ist, dass die Hypothese der demographischen und sprachlichen Leere zur
Zeit der Reconquista des Königreichs Valencia nicht zu beweisen ist d)
unter dem literarischen Gesichstpunkt: trotz der Debatte über den Terminus
«valencianisch» in der mittelalterlichen Literatur ist es bekannt, dass
diese Sprachspielart eine Glanzperiode im 14. und 15. Jahrhundert erlebt
hat e)
unter dem gesellschaftlichen Gesichtspunkt: der grösste Teil der
valencianischen Gesellschaft stimmt im Gefühl überein, dass sie eine
Sprache spricht, die sich von den Sprachen unterscheidet, die ihr
geographisch nahe stehen. Dieses Unterscheidungsgefühl hat eine wichtige
Begriffsrestriktion, da es nicht als «sprachliche Unabhängigkeit» zu
verstehen ist: keine romanische Sprache ist unabhängig von den anderen.
Dass diese Wahrnehmung nicht allgemein ist, hängt u.a. damit zusammen,
dass andere Auffassungen des Valencianischen sich in den letzten Jahren
verbreitet haben. f)
unter dem sprachlichen Gesichtspunkt: strenggenommen ist das
Valencianische ein System, das — wie jedes andere — die kommunikativen
Bedürfnisse einer Gesellschaft zu befriedigen vermag; es ist dem
Katalanischen und dem Okzitanischen sehr ähnlich, etwas weniger dem
Kastilischen. Die Probleme entstehen, wenn z.B. die Sprache geregelt oder
eine Entscheidung über das Ziel der Sprachplanung getroffen werden muss.
1.5. Verschiedene Theorien über die Herkunft des Valencianischen
Die Hauptdebatte konzentriert sich auf der Sprachwissenschaft. Hier hat es
traditionell zwei Haltungen gegeben: die katalanistische (nach der das
Valencianische eine importierte Spielart des Katalanischen aus der
Reconquista-Zeit ist und beide Sprachen eine einzige sind) und die
valencianistische (nach der das Valencianische selbständig ist und es sich
bei dem Katalanischen und dem Valencianischen um zwei verschiedene
Sprachen handelt). Neulich ist eine dritte Haltung aufgetaucht: die
okzitanistische, die die Einheit des Katalanischen, des Valencianischen
und des Okzitanischen vertritt, obwohl alle drei Sprachen relativ
selbständig sind.
Neben diesen sprachwissenschaftlichen Theorien über das Valencianische
sind noch andere zu erwähnen, die aus anderen Wissenschaften stammen. Zwei
Beispiele: aus der Geschichte stammt eine Theorie, die vertritt, dass es
keine sogenannte «demographische Leere» nach der Reconquista durch Jakob
I. im 13. Jahrhundert gab; und aus der Ethnolinguistik stammt eine Theorie,
die vertritt, dass die Frage nach der Herkunft des Valencianischen im
breiteren Raum der Kultur behandelt werden muss: die valencianische Kultur
ist ein Erzeugnis eines Volkes und einer langjährigen Tradition, die nicht
ohne weiteres zu ersetzen ist.
1.6. Der Name der Sprache
Aus anderen Fragen, die wir erwähnt haben, ergibt sich eine andere Debatte,
die Debatte nämlich über den Namen, mit dem die Sprachspielart bezeichnet
werden muss, die den Valencianern eigen ist.
Die drei sprachwissenschaftlichen Theorien (sie sind nicht die einzigen
möglichen Theorien) schlagen jeweils eine andere Bezeichnung vor: —
die katalanistische Hypothese schlägt den Namen «katalanisch» vor —
die okzitanistische Hypothese hält den Namen «valencianisch» für
angemessen —
die valencianistische Hypothese hält den Namen «valencianisch» für den
einzig richtigen.
Die angeblich wissenschaftliche Argumentation für den Namen «katalanisch»
basiert traditionell auf historischen Erwägungen (das ist ausgerechnet die
umstrittenste Seite des Problems: wurde die Sprache importiert?), sowie
auf geographischen (der Name «katalanisch» sei besser, weil Katalonien
grösser und bevölkerter sei) und literarischen Erwägungen (weil die
Renaixença ihren Ursprung in Katalonien hätte). Dazu sei die Tatsache
hinzuzufügen, dass die «internationale akademische Gemeinschaft» die
Sprache so bezeichne.
Keiner unter diesen vier Gründen ist entscheidend unter dem
wissenschaftlichen Gesichtspunkt (ein anderes ist, dass sie gebraucht
werden können).
Innerhalb der Sprachwissenschaft ist der valencianische Fall
wahrscheinlich der einzige, in dem eine Spielart (es sei Sprache oder
Mundart) eine «wissenschaftliche Bezeichnung» haben muss. Die Namen der
anderen Sprachen sind gewöhnlich historische, traditionelle, populäre
Namen, aber ... wissenschaftliche Namen? Die Sprachen als
gesellschaftliche Tatsachen ähneln in der Namenfrage anderen Dingen, wie
die Orographie, die Staaten und Gebiete oder die Anthroponomie, die keinen
«wissenschaftlichen» Namen haben.
Die Frage nach dem Namen ist ein Bestandteil der Konfussion, die gestiftet
worden ist, um eine — katalanische — «ethnokulturelle» Einheit zu schaffen,
die sich auf die Dauer in eine politische Einheit umwandeln soll (das ist
die Idee der «katalanischen Länder», die die Valencianer ablehnen).
2. Juridische und politische Dimension
2.1. Der Rechtsrahmen für die Sprachen in der Comunitat Valenciana
Dies ist insofern ein wichtiger Aspekt, als er den Sprachspielarten durch
die Gesetzgebung einen sozialen Status verleiht.
Der Rahmen besteht in absteigender Reihenfolge aus der Spanischen
Verfassung, der Landesverfassung der Comunitat Valenciana, dem Gesetz über
den Gebrauch und den Unterricht des Valencianischen und dem Gesetz zur
Schaffung der Valencianischen Sprachakademie.
Paragraph 3 der Spanischen Verfassung (CE, 31. Oktober 1978) setzt fest,
dass das Kastilische die Amtssprache ist. Er bestimmt aber zugleich: «die
anderen spanischen Sprachen sollen auch Amtssprachen in den jeweiligen
Bundesländern laut deren Landesverfassungen sein», da diese Sprachen
Kulturgüter sind, die respektiert und geschützt werden müssen.
Dem Verfassungsgebot entsprechend bestimmt Paragraph 7 der
Landesverfassung der Comunitat Valenciana (EACV, 5/1982, 1. Juli 1982):
«die zwei Amtssprachen der Comunitat Valenciana sind das Valencianische
und das Kastilische. Alle haben das Recht, sie zu kennen und zu gebrauchen».
Der Wiederherstellung des Valencianischen sei ein besonderer Schutz zu
verleihen.
Bei der späteren Gesetzgebung ist zunächst das Gesetz über den Gebrauch
und den Unterricht des Valencianischen (LLUEV, 4/1983, 23. November 1983)
zu berücksichtigen. In der Präambel, Abschnitt IV, wird Folgendes gesagt:
«Die Landesregierung ist unverzichtbar verpflichtet zur Verteidigung der
Kulturgüter der Comunitat Valenciana und insbesondere zur
Wiederherstellung des Valencianischen, der historischen und eigenen
Sprache unseres Volkes, die dessen eigentümlichstes Identitätszeichen ist».
Paragraph 2 des Reglements fügt hinzu: «Das Valencianische ist die eigene
Sprache der Comunitat Valenciana. Alle Bürger haben demzufolge das Recht,
es zu kennen und zu gebrauchen, sowohl mündlich als auch schriftlich,
sowohl in privaten Beziehungen als auch in öffentlichen Beziehungen». Hier
wird weder das Katalanische noch die Gleichsetzung des Valencianischen mit
dem Katalanischen erwähnt.
Ein späteres Gesetz ist das Gesetz zur Schaffung der Valencianischen
Sprachakademie (LLCVALL, 18. September 1998). Dieses Gesetz, das das
Ergebnis eines politischen Paktes zwischen der Volkspartei (PP) und der
sozialdemokratischen Partei (PSOE) ist, widerspricht ausdrücklich der
Landesverfassung und dem Gesetz über den Gebrauch des Valencianischen bei
der Bezeichnung und Definition der Sprache, da es die Sprache nicht mehr
als valencianisch bezeichnet und ausserdem behauptet, dass das
Valencianische ein Teil des katalanischen Sprachsystems ist.
2.2. Die Sprachplanung
Eine Folge der Gesetzgebung ist, dass das Valencianische ins Schulwesen
eingeführt worden ist, immer mehr gebraucht wird und ein höheres soziales
Prestige geniesst. Wie einige führende Politiker anerkannt haben, sind die
Ergebnisse aber nicht so zufriedenstellend ausgefallen wie erwartet.
Die Kenntnis des Valencianischen bei der Bevölkerung ist wie folgt: 16’3 %
versteht es, spricht es aber nicht; 32’4 % versteht und liest es, spricht
es aber nicht; 51’3 % spricht, liest und schreibt es. Über die Hälfte der
Bevölkerung (4.369.588 Menschen laut der Volkszählung von 2002) ist
kommunikativ kompetent in der valencianischen Sprache (nach dem
Statistischen Jahrbuch der Comunitat Valenciana von 1996; die Angaben
beziehen sich aber auf 2002).
Die Landesregierung hat sowohl in der Regierungszeit der
sozialdemokratischen Partei als auch heute, bei der Regierungskoalition
von Volkspartei und Valencianischer Vereinigung, eine Norm gebraucht —
ohne dass sie offiziell wäre —, die mit dem Katalanischen übereinstimmt.
Das ist vielleicht ein Grund, warum die Ergebnisse enttäuschend gewesen
sind: die Bevölkerung hat sich mit der Norm nicht identifiziert.
Der andere wichtige Aspekt in dieser Frage ist die Schaffung einer
normenden Institution: die Valencianische Sprachakademie. Das
entsprechende Gesetz wurde im September 1998 verabschiedet, die Akademie
ist aber aus politischen Unstimmigkeiten noch nicht in Kraft getreten.
Neben diesen politischen Unstimmigkeiten bleibt im Hintergrunde die
Debatte über die Definition des Valencianischen (Sprache oder Mundart?),
weil dieselbe darüber entscheidet, ob die offizielle Sprachplanung zu
einem selbständigen oder zu einem vom Katalanischen abhängigen Modell
neigen wird.
Die Anwendung eines bestimmten Paradigmas (sei es das katalanistische, das
valencianistische oder das okzitanistische) hat wichtige Auswirkungen, die
über die wissenschaftliche Sphäre hinausgehen und das politische,
gesellschaftliche und kulturelle Gebiet betreffen (ich habe dazu Stellung
genommen in Fontelles, A.: El conjunt occitano-romanic:
implicacions socials, politiques i culturals, erschienen in den Akten
des V Congrès International de l’Association Internationale d’Etudes
Occitanes, Toulouse, 1998, herausgegeben von Jacques Gourc und François
Pic).
3. Literarische und bibliographische Dimension
Ich beschränke mich hier auf einige unter den vielen Dokumenten, aus denen
klar hervorgeht, dass die Valencianer im Laufe der Zeit einstimmig dessen
bewusst gewesen sind, dass ihre eigene Sprache «das Valencianische» heisst.
Siehe S. 90 (die Abbildungen sind aus zwei
Büchern entnommen: Alminyana, J. und Alarcó, J.: Crit de
la llengua. Denominacio de la llengua valenciana: testimonis (segles XIV-XVI),
Valencia: Valencia-2000, 1981; Faus, S.: Recopilacio historica
sobre la denominacio de la llengua valenciana, Valencia: Ajuntament de
Valencia, 1994). Wir ergänzen den
Überblick mit einer Bibliographie der valencianistischen Haltung, da die
katalanistische Haltung zugänglicher ist für Forscher und Experten. 3.1.
Auswahlbibliographie — Fontelles, A.:
Societat, ciencia i idioma valencià, Valencia: Lo Rat Penat, 1997.
Dieses Buch erörtert die technische Debatte ausgehend von den
Wechselbeziehungen zwischen der gesellschaftlichen, wissenschaftlichen und
sprachlichen Sphäre. Die Dekonstruktion basiert auf den Grundsätzen der
neueren Wissenschaftsphilosophie und sozialen Wissenschaftsforschung. — Gómez, J.V.:
¿Evolución o ruptura en la Valencia medieval? Aspectos socioculturales
y sociolingüísticos, Valencia: Ajuntament de Valencia, 1993.
Der Verfasser beschränkt sich auf das Mittelalter und erforscht die
moslemische Zeit Valencias, um den Mythos der «demographischen Leere» und
der darauffolgenden Ersetzung der Bevölkerung und der Sprache im 13.
Jahrhundert zu widerlegen. Das Buch verbindet die kulturellen,
gesellschaftlichen, sprachlichen und historischen Aspekte des Problems. — Lanuza, Ch.:
Valencià, ¿llengua o dialecte? (Una aproximació des de la
sociollingüistica), Valencia: Lo Rat Penat, 1994.
Wie der Titel angibt, hier wird die Frage, ob das Valencianische eine
Mundart oder eine Sprache ist, aus der Perspektive der Soziolinguistik
gestellt. Es wird ausführlich begründet, warum das Valencianische als eine
Sprache gelten kann. — Peñarroja, Ll.:
El mozárabe de Valencia, Madrid: Gredos, 1990
Der Verfasser beschreibt in diesem Buch (wie auch in seinem Buch
Cristianos bajo el islam, Madrid: Gredos, 1993, das sich auf den
historischen und demographischen Aspekten konzentriert) die Lage der
romanischen Sprache, die vor dem 13. Jahrhundert in Valencia gesprochen
wurde. Seine Folgerungen sind im allgemeinen denjenigen anderer Romanisten
entgegengesetzt, wie z.B. A. Galmés de Fuentes oder M. Sanchis. Die
Dokumentation macht aus diesem Buch einen unentbehrlichen Beitrag zum
Thema. — Simó, V.:
¿Valenciano o catalán?, Valencia: Centre de Cultura Valenciana,
1975.
Dieses Buch ist einer der ersten
Versuche, den gesellschaftlichen Bestandteil des Problems zu beschreiben (erster
Teil). Der zweite Teil besteht in einem historischen Überblick über die
valencianische Literatur vom 13. Jahrhundert bis zur Gegenwart. — Ubieto, A.:
Orígenes del Reino de Valencia, Bd. 1, Valencia: Anubar, 1976; Bd.
2, Zaragoza: Anubar, 1979. Es handelt sich um
zwei Bücher historischer Forschung, die eine wichtige soziale Reaktion
gegen die etablierte Geschichtsforschung hervorriefen, da sie den Kern der
katalanistischen Theorie in Frage stellten: die Einfuhr der katalanischen
Sprache im 13. Jahrhundert. Diese
Fragen über die Wiedereroberung und Wiederbesiedlung des Königreichs
Valencia sind in den Werken von A. Cabanes, R. Ferrer. F. Roca, usw.
weiter verfolgt worden.
Juridische Betrachtungen über
die valencianische Sprache
Das
Valencianische ist die eigene Sprache der Valencianer. So war es
jahrhundertelang, so wurde es von unseren Klassikern im 15. Jahrhundert
ausgesprochen, so verlangt es das valencianische Volk, und so steht es in
der Landesverfassung der Comunitat Valenciana:
«Paragraph 7.1. Die zwei Amtssprachen der Comunitat Valenciana sind das
Valencianische und das Kastilische. Alle haben das Recht, sie zu kennen
und zu gebrauchen.»
Das Valencianische war jahrhundertelang die historische und eigene Sprache
unseres Volkes, und es bildet unser eigentümlichstes Identitätszeichen.
Seine historische Entwicklung ist parallel mit den Wechselfällen verlaufen,
die unsere nationalen Freiheiten erfahren haben, sodass wir eine ziemlich
genaue Korrelation zwischen dem Zustand beider Aspekte in jedem
historischen Moment festsetzen können.
Das Valencianische war die «Amtssprache» des Königreichs Valencia
praktisch seit dessen Gründung. Das Grundgesetz befahl, dass die
Gerichtsverhandlungen in der «Volkssprache» gehalten wurden, damit alle
sie verstehen könnten. Es ist beinahe ausschliesslich die Sprache der
alten Schriftstücke, die überall im Königreich erhalten sind: Gesetze,
zivile Verwaltung, kirchliche Verwaltung, privates Schrifttum, Briefe,
Gedichte, Romane, usw. — alles auf Valencianisch. Die einzige Sprache, mit
der es am Anfang zu konkurrieren hatte, war das Latein, das die Sprache
der Wissenschaft, der Universität und der kirchlichen Würdenträger war.
200 Jahre später begann das Kastilische als Prestigesprache aufzutauchen:
im 16. und 17. Jahrhundert wurde es von einem Teil des Adels und der
Gelehrten aufgenommen. Trotz der Verzichtleistung dieser Eliten auf ihre
Sprache, die zu einem Untergang führte, blieb das Valencianische die
Sprache der überwältigenden Mehrheit der Valencianer. Der spanische
Erbfolgekrieg (in Valencia zwischen 1705 und 1707) brachte eine radikale
Änderung der Lage mit sich. Das Kastilische wurde die Verwaltungssprache
und verdrängte allmählich das Valencianische aus der kirchlichen
Verwaltung, aus den Schulen und schliesslich aus der ganzen Gesellschaft,
wenigstens was die Schrift angeht. Die partielle Wiederentdeckung des
Valencianischen als einer literarischen Sprache für die höheren Klassen im
19. Jahrhundert und die schüchternen politischen Versuche am Anfang des
20. Jahrhunderts, die legale Gleichsetzung mit dem Kastilischen zu fordern,
behinderten kaum diesen Vorgang der Sprachersetzung. Am härtesten wurde
dieser Vorgang während der Franco-Diktatur, die das Kastilische dadurch
zur einzigen Sprache Spaniens machte, dass sie den Gebrauch anderer
Sprachen als ein Attentat gegen die Einheit des Vaterlandes behandelte.
Die Entsprechung im Volk — unterstützt durch die starke Einwanderung der
60er und 70er Jahre — war der Spruch «Bist du ein Spanier, dann sprich
Spanisch», oder sogar «Sprich wie ein Christ!». Diese Mentalität ist in
der grossen Masse der Menschen tief verwurzelt, die damals die Schule
besucht haben, und noch heute gibt es Überreste, die manchmal den normalen
Gebrauch der valencianischen Sprache schwer machen.
Zum Glück hat die Verkündung der Spanischen Verfassung von 1978 die
Rechtsordnung Spaniens völlig geändert. Obwohl sie das von den «anderen»
spanischen Sprachen gelittene Unrecht nicht völlig beseitigt, hat sie
einen juridischen Rahmen geschaffen, der diesen Sprachen (auch dem
Valencianischen) erlaubt hat, Amtssprache im jeweiligen Bundesland zu
werden. Ausgehend von den allegemeinen Anordnungen der Spanischen
Verfassung hat jedes Bundesland in seiner Landesverfassung und
Gesetzgebung dem Willen Ausdruck gegeben, den Gebrauch seiner eigenen
Sprache zu normalisieren. In unserem Fall handelt es sich um das Gesetz
über den Gebrauch und Unterricht des Valencianischen (1983). Es gibt also
drei Gesetze, die die Sprache in Valencia regeln. Aus ihnen können wir
folgende Paragraphen herausheben:
a) Spanische Verfassung (1978):
«Paragraph 3 1. Unter den spanischen Sprachen ist das Kastilische die Amtssprache. Alle
Spanier haben die Pflicht, es zu kennen, und das Recht, es zu gebrauchen. 2. Die anderen spanischen Sprachen sollen auch Amtssprachen in den
jeweiligen Bundesländern laut deren Landesverfassungen sein. 3. Die verschiedenen Sprachspielarten Spaniens sind Kulturgüter, die
besonders respektiert und geschützt werden.» b) Landesverfassung
der Comunitat Valenciana (1982) «Paragraph 7 1. Die zwei
Amtssprachen der Comunitat Valenciana sind das Valencianische und das
Kastilische. Alle haben das Recht, sie zu kennen und zu gebrauchen. 2. Die Landesregierung wird den normalen und offiziellen Gebrauch beider
Sprachen garantieren und die nötigen Massnahmen treffen, um deren Kenntnis
zu sichern. 3. Niemand darf wegen seiner Sprache diskriminiert werden. 4. Die Wiederherstellung des Valencianischen wird besonders geschützt und
respektiert. 5. Ein Gesetz wird die Anwendungskriterien des Valencianischen in der
Verwaltung und im Schulwesen festsetzen. 6. Ein Gesetz wird die Gebiete bestimmen, in denen der Gebrauch der einen
oder der anderen Sprache überwiegt, sowie die Gebiete, die vom Unterricht
und Gebrauch des Valencianischen ausgeschlossen werden können.»
Andererseits verleiht Paragraph 31.4 der Comunitat Valenciana die
ausschliessliche Zuständigkeit im kulturellen Bereich, sowie Paragraph 35
die volle Zuständigkeit im Bildungswesen.
c) Gesetz über den Gebrauch und Unterricht des Valencianischen (1983)
«Paragraph 2. Das Valencianische ist die eigene Sprache der Comunitat
Valenciana. Alle Bürger haben demzufolge das Recht, es zu kennen und zu
gebrauchen, sowohl mündlich als auch schriftlich, sowohl in privaten
Beziehungen als auch in öffentlichen Beziehungen.
Paragraph 4. Niemand darf wegen des Gebrauchs irgendeiner dieser
Amtssprachen diskriminiert werden.»
Wir können darüber hinaus eine allgemeine Idee vom Inhalt dieses Gesetzes,
wenn wir einige Punkte aus dessen Präambel herausnehmen:
«IV. [...] Der diglossischen Situation gegenüber, unter der der grösste
Teil unserer Bevölkerung zur Folge der Unterwerfung des Valencianischen
während beinahe 300 Jahre leidet, hat die Landesregierung (als Agens der
Wiederherstellung der vollen Identität des valencianischen Volkes) das
Recht und die Pflicht, unserer Sprache den Platz wiederzugeben, der ihr
gebührt, und den Verfall zu überwinden, in dem sie sich befindet.
Unsere irreguläre soziolinguistische Lage erfordert eine Gesetzgebung, die
ohne Zögern die Entkräftung des Valencianischen bekämpft und den Gebrauch
und den Unterricht des Valencianischen fördert, um die vollständige
Gleichsetzung mit dem Kastilischen zu erreichen.
Dieses Gesetz versucht, die bestehende Ungleichheit zwischen den zwei
Amtssprachen unseres Landes zu überwinden und die Massnahmen zu treffen,
die den Gebrauch des Valencianischen in allen Bereichen unserer
Gesellschaft (besonders in der Verwaltung und im Schulwesen) fördern. Der
Endzweck des Gesetzes ist, durch die Förderung des Valencianischen die
wirkliche Gleichsetzung mit dem Kastilischen zu erreichen und den normalen
und offiziellen Gebrauch beider Sprachen zu garantieren, womit jeder
sprachlichen Diskriminierung ein Ende bereitet werden soll. [...]
VI. [...] Alle vom valencianischen Landtag verabschiedeten Gesetze werden
in beiden Sprachen publiziert. Alle Verwaltungs- und Gerichtstätigkeiten,
die auf Valencianisch erfolgen, sind gültig. Jeder Bürger hat das Recht,
in seinen Beziehungen zur öffentlichen Verwaltung (einschliesslich der
Justiz) irgendeine der beiden Amtssprachen zu gebrauchen und zu erfordern.
Alle öffentlichen Schriftstücke, die auf Valencianisch verfasst werden,
sind gültig.
Die Angestellten der öffentlichen Unternehmen und Dienste, die direckt mit
der Bevölkerung umgehen, werden das Valencianische so gut kennen, dass sie
ihren Dienst normal versehen können. [...]
VII. Besonders wichtig für diesen Versuch zur Wiederherstellung des
Valencianischen ist zweifellos die Einführung des Valencianischen in alle
Stufen des Bildungswesens, für die die Landesregierung zuständig ist, denn
es handelt sich um einen Grundfaktor zur Verwirklichung des Rechts jedes
Bürgers, das Valencianische zu kennen und zu gebrauchen. [...]
Das Valencianische und das Kastilische sind Pflichtsprachen in den Schulen.
[...]
Da eine unbiegsame Anwendung der Pflicht, das Valencianische in der ganzen
Comunitat Valenciana zu unterrichten, eine historische Ungerechtigkeit
beim Versuch schaffen würde, eine andere historische Ungerechtigkeit
abzuschaffen, [...] besteht die Möglichkeit, diese Pflicht unter Umständen
sowohl in den Gebieten aufzuheben, wo das Valencianische gesprochen wird,
als auch in den Gebieten, wo Spanisch gesprochen wird. In diesen Gebieten
wird die allmähliche Einführung des Valencianischen ins Schulwesen von der
Fähigkeit der Eltern begleitet, den Ausschluss aus diesem Unterricht zu
erlangen.»
Auf diese Art und Weise ermöglicht das Gesetz, ausgehend vom totalen
Respekt vor denjenigen Bürgern, deren Sprache das Kastilische ist, die
Verbreitung der Kenntnis des Valencianischen unter der ganzen Gesellschaft,
sowie die Wiederherstellung und Ausdehnung ihres Gebrauchs. Das ist ein
Grundfaktor bei der Wiederfindung unserer Identität als eines Volkes, die
allen Valencianern (unabhängig von ihrer Sprache) gebührt.
Das ist der gesetzliche Rahmen, der den Gebrauch beider Amtssprachen
unseres Landes regelt. Wir möchten einige Bemerkungen darüber machen:
· Die Spanische
Verfassung setzt fest, dass das Kastilische die Amtssprache ist und dass
alle Spanier die Pflicht haben, es zu kennen, und das Recht, es zu
gebrauchen. Diese Unterscheidung zwischen Kenntnis und Gebrauch ist
wichtig: wir haben die Pflicht, das Kastilische zu kennen, nicht aber, es
zu gebrauchen. Diese Unterscheidung bezieht sich vor allem auf diejenigen
Bundesländer, die auch eine andere Amtssprache haben: die valencianische
Landesverfassung z.B. setzt fest, dass die Valencianer das Recht — aber
nicht die Pflicht — haben, beide Amtssprachen zu kennen und zu gebrauchen.
Das Valencianische zu kennen, ist also keine Pflicht. Wenn alle Bürger
aber das Recht haben, es zu gebrauchen, und niemand wegen der Sprache
diskriminiert werden darf, dann ist es offensichtlich, dass alle Bürger
unseres Landes es nötig haben, beide Sprachen zu kennen, um die anderen
nicht zu zwingen, auf die Sprache zu verzichten, die sie gebrauchen. In
den privaten Beziehungen sprechen die Menschen gewöhnlich die Sprache, die
besser verstanden wird, um die Kommunikation zu vereinfachen. Die
Gesetzgebung hat einen stärkeren Einfluss auf die öffentliche und
institutionelle Sphäre, da die Verwaltung sich gezwungen sieht, der
Bevölkerung gegenüber beide Sprachen zu pflegen.
· Die Landesverfassung erkennt die amtliche Eigenschaft beider
Sprachen in Paragraph 7, Absatz 5 an. Ein Gleiches gilt für das LUEV, in
dessen Paragraph 7, Absatz 1 heisst es, dass die valencianische Sprache
die eigene Sprache der Comunitat Valenciana ist. Die eigene Sprache zu
sein, ist nichts Banales. Denn es schliesst die Anerkennung des
Territorialitätsprinzips ein, das die Förderung und den Vorrang dieser
Sprache in ihrem eigenen Gebiet ermöglicht. Es erlaubt, dass die
Verwaltung und der öffentliche Dienst vorwiegend die eigene Sprache
gebrauchen, unabhängig davon, dass sie auch das Kastilische gebrauchen
können, um die individuellen Rechte der Bürger zu schützen. Die Bürger
werden nicht gezwungen, eine der beiden Sprachen zu gebrauchen, aber
irgendwie werden sie dazu induziert, die eigene Sprache des Gebiets
mindestens zu verstehen, da sie die eigene Sprache der Verwaltung ist.
Diese Situation ist theoretisch sehr günstig für die Wiederherstellung des
Valencianischen, sie ist aber nicht in die Tat umgesetzt worden.
Andererseits wird die Unterscheidung zwischen Gebieten, wo überwiegend das
Valencianische gesprochen wird, und Gebieten, wo überwiegend das
Kastilische gesprochen wird, nur auf die allmähliche Einführung der
valencianischen Sprache in die Schulen angewandt.
· Die Bestätigung
durch das Gesetz über den Gebrauch und Unterricht des Valencianischen der
juridischen Gleichheit beider Sprachen verleiht denselben juridischen Wert
den Dokumenten, die in der einen oder in der anderen Sprache verfasst sind,
und behauptet das Recht der Bürger, irgendeine von ihnen in ihren privaten
oder öffentlichen Tätigkeiten zu gebrauchen. Zugleich trifft dieses Gesetz
Massnahmen zur Förderung des Gebrauchs des Valencianischen vor allem in
drei Bereichen: Verwaltung, Bildungswesen und Medien. Es ist klar, dass
der gesetzliche Rahmen heutzutage die Wiederherstellung der
valencianischen Sprache und deren Gleichsetzung mit der kastilischen
fördert. Dass dies noch nicht gelungen ist, ergibt sich vor allem aus dem
Mangel an politischem Willen seitens der valencianischen Institutionen bei
der Anwendung des Geistes der Gesetze. Ein Beispiel ist der Gebrauch des
Valencianischen beim öffentlich-rechtlichen Valencianischen Fernsehen, das
laut seinem Gründungsgesetz (7/1984) das Ziel hat, «die eigene Sprache der
Comunitat Valenciana zu fördern und zu schützen» (Paragraph 2.1). In
Wahrheit ist das Kastilische stark anwesend sowohl im Ganzen als auch in
prime time.
Das Valencianische — eine
romanische Sprache
1. Die
sprachliche Herkunft des Valencianischen
Man
kann sagen, dass das Valencianische eine gemischte Sprache in Hinsicht auf
seine Herkunft ist. Es hat einerseits viele morphologische, syntaktische
und lexikalische Übereinstimmungen mit den gallo-romanischen Sprachen (mit
dem Französischen, dem Okzitanischen, dem Gaskognischen, usw.). Es hat
andererseits einige unleugbar ibero-romanische Züge, die es mit dem
Kastilischen, dem Portugiesischen, usw. teilt.
Gallo-romanische Züge sind z.B.
folgende: —
der Gebrauch des sächlichen Pronomens ho, das aus dem lateinischen
hoc stammt: «Encara que m’ho jures, no m’ho crec» (dt.
«Selbst wenn du es beteuerst, glaube ich es nicht») —
die Verbalperiphrase vaig + Infinitiv mit Vergangenheitswert: «El
dumenge passat vaig anar al teatre» (dt. «Letzten Sonntag bin
ich ins Theater gegangen») — der Gebrauch des
Interrogativs quin als Adjektiv: «¡Quin chiquet tan gracios!»
(dt. «Was für einen lustigen Knaben!») Typische ibero-romanische
Züge im Valencianischen sind z.B. folgende: —
der Gebrauch der Präposition a vor dem persönlichen Akkusativobjekt:
«Vaig vore a Pere» (dt. «Ich habe
Peter gesehen») — die Beibehaltung der
dreifachen Gradentgegensetzung für die Demonstrative: aço-aixo-allo;
aci (bzw. aqui, mundartlich)-ahi-alli; este-eixe-aquell.
Diese gemischte Herkunft des
Valencianischen zeigt sich sehr deutlich an gewissen Zügen, die eine
mittlere Position einnehmen zwischen den ibero-romanischen und den
gallo-romanischen Formen.
Das ist z.B. der Fall beim Gebrauch des Adverbialpronomens hi: die
ibero-romanischen Sprachen kennen dieses Pronomen nicht mehr (das
Kastilische seit dem 15. Jahrhundert), während die gallo-romanischen
Sprachen es beibehalten haben: heute wird es noch im Französischen,
Gaskognischen und Okzitanischen gebraucht.
Das Valencianische nimmt seinerseits eine mittlere Stellung ein: es hat
den pronominalen Gebrauch von hi verloren, aber es behält dieses
Pronomen in gewissen Ausdrücken. So begleitet das Pronomen hi immer
das Verb haver: «Ahir hi havia molta gent en la plaja» (dt.
«Gestern gab es viele Leute auf dem Strand»).
Neben diesen Zügen, die das Valencianische mit anderen Sprachen teilt und
die dessen Platz unter den romanischen Sprachen bestimmen, hat die
valencianische Sprache gewisse Merkmale, die sie mit einzelnen Sprachen (nicht
mit einer ganzen Sprachfamilie) teilt. Zwei Beispiele, die das
Valencianische mit dem Italienischen teilt, sind die Fortdauer der
Präposition ad («li ho digui ad ell»; dt.
«Ich habe es ihm gesagt») und der Ausdruck una volta
(«El veig una volta al mes»; dt.
«Ich sehe ihn einmal im Monat»). Die valencianische
Sprache hat andererseits ausschliessliche Züge, die es mit keiner anderen
romanischen Sprache teilt: z.B. der sehr breite semantische Wert der
Präposition en: «Me’n vaig al cine en el meu amic» (dt.
«Ich gehe ins Kino mit meinem Freund»).
2. Stellung des Valencianischen unter
den Sprachen der Iberischen Halbinsel
Obwohl das Valencianische unter dem sprachwissenschaftlichen Gesichtspunkt
dem Portugiesischen nicht besonders ähnelt, ist die Parallelität in der
Ausbildung beider Sprachen offensichtlich.
· Im 12. Jahrhundert wurden Coimbra und Lissabon, die bis dahin den
Moslems unterworfen gewesen waren, von den christlichen Truppen erobert
und von Menschen aus Galicien wieder besiedelt. Die portugiesische Sprache
entsteht als Anpassung der galicischen Sprache der Eroberer an die
romanische Sprache, die die mozarabischen Gemeinschaften von Coimbra und
Lissabon sprachen. Es scheint sogar, dass einige Züge des Portugiesischen
bereits in dieser Sprache der portugiesischen Mozaraber anwesend waren,
nicht aber in der Sprache der galicischen Wiederbesiedler.
Im östlichen Teil der Iberischen Halbinsel ist etwas ähnliches,
aber nicht gleiches, vorgekommen. Im 13. Jahrhundert entriss König Jakob
I. Valencia den Moslems. Dieses Gebiet wurde wiederbesiedelt von Menschen
höchst verschiedener Herkunft, unter denen die Aragonier und die Katalaner
die Mehrheit bildeten (es kamen auf jeden Fall etwas weniger Katalaner als
Aragonier).
Wie die Portugiesen hatten die Valencianer, als sie erobert wurden, noch
eine sehr lebendige mozarabische Sprache, die — wie die neueste Forschung
unzweidutig nachgewiesen hat — dem Valencianischen sehr ähnlich war, das
sich im 13. Jahrhundert durchgesetzt hat. Durch die christliche
Reconquista sind also folgende Sprachen in Valencia in Berührung getreten:
das Aragonische, das Katalanische (mit seinen zwei Spielarten, der
östlichen und der westlichen) und das valencianische Mozarabische, das dem
westlichen Katalanischen sehr ähnlich war.
Selbstverständlich musste (wie in Portugal) die Berührung mit den neuen
Sprachspielarten Einfluss haben auf die Ausbildung der mittelalterlichen
valencianischen Sprache, aber wir wissen heute, dass mindestens die
phonetischen Züge des mittelalterlichen Valencianischen bereits im
valencianischen Mozarabischen vor der Reconquista anwesend waren.
· Es macht also keinen Sinn, von Sprachersetzung in Valencia zu
reden: das Mozarabische wurde durch keine der Sprachen der Eroberer
ersetzt. Das Valencianische kann also als eine direkte Mundart des
Lateinischen gelten, da es kein Erzeugnis sprachlicher Einfuhr ist, obwohl
es natürlich den schwer zu bestimmenden Einfluss der Nachbarsprachen
erfahren hat.
· Nach der christlichen Eroberung wurden Portugal und Galicien
Teile ein und derselben politischen Einheit. Diese Situation dauerte aber
nicht lange, sodass die Unabhängigkeit Portugals und die Abhängigkeit
Galiciens von Kastilien ihre Sprachen sich anders entwickeln liess.
Das valencianische Gebiet wurde
gleich nach der Eroberung ein selbständiges Königreich mit eigener
Regierung und Gesetzgebung, das mit den anderen Gebieten Aragons ein
Staatenbund bildete. Trotz des Eindrucks sprachlicher Einheit, den die
Königliche Kanzlei machen könnte, da dieses Amt die Schriftstücke des
Königs für alle Staaten verfasste, entwickelte sich das Valencianische
selbständig anderen Sprachspielarten (einschliesslich der katalanischen,
die der valencianischen am nächsten steht) gegenüber bei der Ausbildung
ihrer Formen. Diese Entwicklung wurde von der Selbständigkeit des
Königreichs Valencia und vom gesellschaftlichen und wirtschaftlichen
Blühen desselben befördert.
Das Valencianische ist bereits im 15.
Jahrhundert und bis Ende des 17. Jahrhunderts eine aktive Sprache, die
eine Reihe Änderungen erfährt und zwischen verschiedenen sprachlichen
Möglichkeiten optiert. Diese kontinuierliche Evolution modifizierte nie
einzelne Aspekte der Sprache, sondern verleihte ihr einen
organischen Charakter und einen kohärenten Bau. Diese Evolution und
diese Auswahl betreffen zwei Jahrhunderte lang sowohl die literarische
Sprache als auch die Umgangsprache. Nach Prof. Penyarroja erklärt
dieser sprachinterne Grund und nicht bloss das gesellschaftliche und
kulturelle Blühen des Königreichs Valencia im 15. Jahrhundert das
sprachliche Selbstbewusstsein der damaligen Schriftsteller, die die
Sprache ihrer literarischen Werke immer als valencianische Sprache
bezeichneten.
· Die historische
Parallelität zwischen dem Portugiesischen und dem Valencianischen wird
begleitet von einer anderen Ähnlichkeit, die zum Teil eine Folge der
erwähnten Parallelität ist. Jetzt geht es um die Beziehung sprachlicher
Affinität beider Sprachen mit den Sprachen, mit denen sie eine wichtige
historische Berührung gehabt haben. Beim Portugiesischen, das Galicische;
beim Valencianischen, das Katalanische.
Wir unterscheiden also im Westen der Iberischen Halbinsel zwei
Sprachen, die einander sehr ähnlich sind: das Galicische und das
Portugiesische. Im Laufe der Zeit ist das Portugiesische in phonetischer
und morphologischer, nicht aber in syntaktischer Hinsicht anders geworden
als das Galicische, und dies hat schliesslich zu lexikalischen
Unterschieden geführt.
Parallel damit finden wir im
östlichen Teil der Iberischen Halbinsel zwei ähnliche Sprachen, die
doch deutlich unterschieden voneinander sind: das Valencianische und das
Katalanische.
In phonetischer Hinsicht hat das Valencianische einige wichtige
Unterschiede allen Mundarten des Katalanischen gegenüber: z.B. die Zahl
der Phoneme; die Beibehaltung der Endung -r, die im
Katalanischen verlorengeht; der Verlust des dentalen Konsonanten bei den
Nachsilben -ata, -atore, der im Katalanischen beibehalten wird. Es
gibt darüber hinaus andere Unterschiede des Valencianischen der grossen
Mehrheit der katalanischen Mundarten gegenüber, obwohl einige katalanische
Mundarten sehr der valencianischen Phonetik ähneln. Beispiele sind: die
Zahl der tonschwachen Vokale, fünf im Valencianischen, drei im
Katalanischen; die Verteilung des geschlossenen e und des
offenen e in den tonstarken Vokalen; der Gebrauch des
stimmlosen präpalatalen affrikaten Phonems in einigen Worten, in denen das
Katalanische das präpalatale frikative Phonem gebraucht: marchar-marxar.
Im allgemeinen sind die phonetischen Unterschiede zwischen beiden Sprachen
auf jeden Fall geringer als die Unterschiede zwischen Galicischen und
Portugiesischen.
Die morphologischen und vor allem die syntaktischen Merkmale,
die das Valencianische vom ganzen Katalanischen unterscheiden, sind
hingegen viel wichtiger als die Unterschiede, die das Portugiesische vom
Galicischen unterscheiden. Die Unterschiede zwischen dem Valencianischen
und dem Katalanischen sind hier zahllos. Einige Beispiele: die Verteilung
der Verben ser und estar, der Gebrauch der schwachen
Pronomina, die Morphologie der Demonstrative und der Deiktischen, die
Entgegensetzungen dieser Pronomina, die unpersönlichen Sätze, das
persönliche Akkusativobjekt, der Gebrauch des sächlichen Artikels, die
Form der Personalpronomina, die Zahl der Präpositionen und deren
Verteilung (vor allem im Hinblick auf den breiten semantischen Wert der
Präposition en und auf den Gebrauch der Ortspräpositionen vor den
Ortsnamen), die Formen der Zahlpronomina, die Zahl der Adverbien (einige
Adverbien, die heute im Valencianischen im vollen Gebrauch sind, sind im
Katalanischen verlorengegangen, und umgekehrt), der Gebrauch des
persönlichen Artikels (der im Unterschied zum Katalanischen heute im
Valencianischen unbekannt ist), die Zahl der Konjunktionen, das
Verbalsystem (sowohl im Hinblick auf die Verteilung des heutigen
Paradigmas wie vor allem im Hinblick auf die Morphologie, wo es wichtige
Unterschiede gibt).
Auch in lexikalischer Hinsicht ist die Unterscheidung zwischen dem
Valencianischen und dem Katalanischen sehr wichtig. Die Unterschiede
betreffen sowohl den romanischen Wortschatz wie auch den arabischen
Wortschatz und die Kultismen. Die Selbständigkeit des valencianischen
Wortschatzes spiegelt sich auch in der Anpassung der Lehnwörter wider, die
auf eine Art und Weise eingeführt werden, die mit der katalanischen nicht
notwendig übereinstimmt: das französische Wort garage z.B. ist
anders vom Valencianischen als vom Katalanischen adoptiert worden. Das
Valencianische folgt der französischen Phonetik, und deshalb schreibt es
garaig, während das Katalanische garatge schreibt, da es
ihrer eigenen Phonetik folgt. 3.
Einige sprachliche Merkmale des Valencianischen
3.1. Phonologie
— Vokalsystem —
· Das tonstarke
Vokalsystem des Valencianischen besteht aus 7 Vokalen: a,
offenes e, geschlossenes e, i,
offenes o, geschlossenes o, u.
Im Unterschied zum Kastilischen hat die Entgegensetzung zwischen offenem
und geschlossenem e (einerseits) und offenem und geschlossenem o
(andererseits) einen phonologischen Charakter, d.h., sie dient dazu,
Bedeutungen zu unterscheiden. Beispiele:
Die offenen Vokale e und o, die von den kurzen Vokalen e
und o des klassischen Lateins stammen, haben sich erhalten, ohne zu
diphthongieren: «cova» (span. «cueva»,
dt. «Höhle»), «serra» (span. «Sierra», dt. «Bergkette»).
Das Valencianische kennt aber die
bedingte Diphthongierung: «hui» (span. «hoy», dt. «heute»),
aus dem lateinischen «hodie».
Dem Galicischen und dem Portugiesischen gegenüber hat das Valencianische
die Reduktion der lateinischen fallenden Diphthonge (-ai-, -au-) vollendet:
«forner», «llosa» (span. «hornero»,
«losa», dt. «Bäcker», «Steinplatte»).
Das tonschwache Vokalsystem des Valencianischen besteht aus 5 Vokalen:
a, e, i, o, u.
— Konsonantensystem —
· In einem Teil des
Sprachgebiets wird die Unterscheidung b-v beibehalten, die
orthographisch anerkannt wird: cavall-cabas. Es gibt
im Valencianischen einen grossen Reichtum an Zischkonsonanten, nämlich 7: —
stimmlos frikativ alveolar: «set» (span.
«siete», dt. «sieben») —
stimmhaft frikativ alveolar: «casa» (span.
«casa», dt. «Haus») —
stimmlos affrikat alveolar: «tots» (span.
«todos», dt. «alle») —
stimmhaft affrikat alveolar: «tretze» (span. «trece», dt. «dreizehn») —
stimmlos frikativ präpalatal: «caixa» (span.
«caja», dt. Kisten») —
stimmlos affrikat präpalatal: «chic» (span.
«chico», dt. «Knabe») —
stimmhaft affrikat präpalatal: «viage» (span.
«viaje», dt. Reise)
· Andere
phonetische Merkmale des Valencianischen sind: die Tendenz zum Verlust der
tonschwachen Endung -o («chic», span. «chico», dt. «Knabe»);
die Beibehaltung des anlautenden f- («figa», span. «higo»,
dt. «Feige»); die Palatalisierung des anlautenden l- («llop»,
span. «lobo», dt. «Wolf»); die Beibehaltung der anlautenden
Konsonanten pl-, cl-, fl- («ploure», «clau», «flama»,
span. «llover», «llave», «llama», dt. «Regnen», «Schlüssel»,
«Flamme»); das Stimmhaftwerden der stimmlosen intervokalischen
Konsonanten -p-, -t-, -k- («cabra», «pedra», «foguera»,
span. «cabra», «piedra», «hoguera», dt. «Ziege»,
«Stein», «Freudenfeuer»); allgemeine Palatalisierung des lateinischen
Doppelkonsonanten -ll- («cuquello», span. «cuclillo»,
dt. «Kuckuck») und der Gruppen -c’l-, -lj- («agulla», «fulla»,
span. «aguja», «hoja», dt. «Nadel», «Blatt»);
Reduktion der lateinischen intervokalischen Gruppen -mb-, -nd- («llomello»,
«ona», span. «lomo», «onda», dt. «Lende», «Welle»);
Verlust der Endung -n («jove», span. «joven», dt. «Jung»);
die allgemeine Beibehaltung der Endung -r («flor», span.
«flor»,
dt. «Blume»), oder die allgemeine Reduktion der romanischen
konsonantischen Gruppen, die Doppelkonsonanten einschliessen («velar»,
span. «velar»).
3.2. Morphosyntax
· Im allgemeinen
bildet das Valencianische den Plural der männlichen Substantive und
Adjektive durch die Hinzufügung von -os, wenn das Wort mit einer
dieser Buchstaben endet: -s, -ç, -ix, -ig; oder durch die
Hinzufügung von -s in den anderen Fällen (music-musics, dt.
«Musiker»). Dies kann schwierige konsonantische Gruppen zur Folge haben,
die die Valencianer problemlos aussprechen: «texts», «boscs»,
«celests». Manchmal taucht das etymologische -n, das im
Singular verlorengegangen war, wieder auf: («jove-jovens», span. «joven»,
dt. «Jung»).
· Der weibliche Plural bildet sich durch die Ersetzung der Endung
-a des Singulars durch die Nachsilbe -es («casa-cases»,
dt. «Haüser».). Das im Singular verlorengegangene etymologische -n
taucht wieder auf, wenn das Wort nicht mit -a endet («verge-vergens»,
dt. «Jungfrauen»).
· Die Nachsilbe
-ista hat eine doppelte Endung entwickelt, die bereits im klassischen
Zeitalter anwesend war, je nach dem Geschlecht des Substantivs, dem sie
hinzugefügt wird. Wir haben also -iste für die männlichen
Substantive und -ista für die weiblichen Substantive.
Klassisches Beispiel: «juriste» (Dietari del capellà d’Anfos el
Magnanim) (dt. «jurist»).
·
Die Possesive haben sowohl tonschwache als auch tonstarke Formen. Die
tonstarken Formen sind gewöhnlich (und oft obligatorisch) vom Artikel
begleitet: «el meu amic» (dt. «mein Freund»).
· Das unbestimmte
Adjektiv «atre» wird gewöhnlich von einem Artikel begleitet, selbst wenn
es neben einem unbestimmten Substantiv steht: «l’atre dia-un
atre dia», dt. «Der anderer Tag-Ein anderer Tag».
· Im
Valencianischen gibt es den sächlichen Artikel «lo», der ganz lebendig und
normativ ist: «Lo que passa es que estic cansat» (dt.
«Was passiert, ist, dass ich müde
bin»).
· Die gewöhnliche
Präposition für den Ortswert ist en. Der Gebrauch der Präposition
a mit diesem Wert beschränkt sich im allgemeinen auf einige
Syntagmen oder bestimmte Situationen: «esperar ad algu a la porta»,
«portar el capell al cap», «tindre diners al banc».
Diese Präposition leitet keinen Ortsnamen ein: «Viu en Valencia» (dt.
«Er wohnt in Valencia»).
· Die schwachen
Personalpronomina können verschiedene Formen annehmen, je nach ihrer
Stellung dem Verb gegenüber. Das Pronomen der ersten Person im Singular
me wird zu m’ vor einem Verb, das mit Vokal beginnt, zu ‘m
hinter einem Verb, das mit Vokal endet, zu me oder em vor
einem Verb, das mit Konsonant beginnt, und zu -me hinter einem
Verb, das mit Konsonant endet: «m’obliga», «obliga’m», «em/me
diuen», «dis-me».
· Das
Valencianische ist eine ziemlich reiche Sprache an Pronomina. Neben den
schwachen Personalpronomina verfügt es auch über ein lebendiges
Adverbialpronomen (ne), ein in einigen Ausdrücken fossiliertes
Adverbialpronomen (hi) und ein sächliches Pronomen (ho): «¿Quantes
taronges vols? Ne vullc tres» (dt. «Wie
viele Apfselsinnen willst du? Ich will drei»), «m’en vaig» (dt. «Ich
gehe»), «no m’hi veig» (dt. «Ich sehe nicht»), «hi havia
molta gent» (dt. «Es gab viele Leute»), «aixo no m’ho
puc creure» (dt. «Ich kann es nicht glauben»). · Wenn ein
Personalpronomen als Akkusativobjekt einer zusammengestezten Zeitform
vorangeht, dann stimmt das Partizip mit dem Pronomen überein: «Esta goma
l’he comprada en la papereria del canto» (dt.
«Dieses Gummi habe ich im
Schreibwarengeschäft an der Ecke gekauft»). ·
Die unpersönlichen Sätze werden nur durch das Pronomen se bzw.
es gebildet: «Se diu que el govern te pensat alvançar las
eleccions» (dt. «Man sagt,
die Regierung habe vor, die Wahlen vorzeitig auszuschreiben»). · Das
Valencianische gebraucht nicht nur das Verb ser, sondern auch das
Verb estar. Die Verteilung beider Verben ist wie im Kastilischen:
«Ya estic en Valencia», «El premi li ha segut otorgat esta
vesprada» (dt. «Ich bin
bereits in Valencia», «Der Preis ist ihm heute nachmittag verliehen
worden»).
· Ein besonders
schwieriger Aspekt der valencianischen Grammatik ist die Verbkonjugation,
denn es gibt viele allomorphe Endungen für ein und dieselbe Person mit
komplementärer Verteilung. So haben wir drei Endungen für die erste Person
Singular des Präsens Indikativ: -e, für die Verben der ersten
Gruppe (ame, dt. «Ich liebe»); -c für die Velarverben
(dorc, dt. «Ich schlafe»); -ixc für die
Inchoativverben (servixc, dt. «Ich diene»);
keine Endung bei den übrigen Verben.
· Innerhalb des
Verbalparadigmas des Valencianischen gibt es zwei verschiedene Zeiten (das
einfache Perfekt und das periphrastische Imperfekt) für ein und denselben
Verbalwert: «Ahir ani a ta casa» = «Ahir vaig anar a ta
casa» (dt. «Gestern bin ich zu dir gegangen»).
Auswahlbibliographie — Fontelles i
Fontestad, A.: La flexio verbal en la llengua valenciana,
Valencia: Lo Rat Penat, 1983. — Lanuza,
Joaquim u.a.: Gramatica de la Llengua Valenciana, Valencia: Lo
Rat Penat, 1996 (2. Auflage) — Gimeno, Juan
M.: Introduccio a la dialectologia. El dialectes valencians,
Valencia: Lo Rat Penat, 1996 — Guinot i Galan,
Josep M.: Gramatica normativa de la Llengua Valenciana,
Valencia: Lo Rat Penat, 1987 — Guinot i Galan,
Josep M.: Morfologia historica de la Llengua Valenciana,
Valencia: Real Academia de Cultura Valenciana, 1991 — Penyarroja
Torrejón, Ll.: El mozárabe de Valencia. Nuevas cuestiones de
fonología mozárabe, Madrid: Gredos, 1990 — Penyarroja
Torrejón, Ll.: Cristianos bajo el islam, Madrid: Gredos, 1993 — Penyarroja
Torrejón, Ll.: Sintaxis i lexic en el Tirant lo Blanch (Del
valencià quatrecentiste al valencià modern), Valencia: Consell
Valencià de Cultura, 1991 — Real Academia
de Cultura Valenciana: Diccionari Valencià-Castellà, Castellà-Valencià,
Valencia: Del Senia al Segura, 1992, 2 Bde
Über die valencianische
Literatur (vom Anfang bis zur Renaixença)
Die
frühesten Schriften in valencianischer Sprache gehören noch der Zeit der
moslemischen Herrschaft. Verfasst in einem beginnenden Valencianischen und
mit vielen Formen, die in der späteren klassischen Zeit aufgegeben wurden,
sind sie das klarste Anzeichen des Daseins einer eigenen Sprache vor der
Reconquista (13. Jahrhundert). Vor allem sind die harches zu
erwähnen: kleine Gedichte auf Valencianisch, die am Ende grösserer
arabischer oder hebräischer Gedichte stehen. Die wichtigsten Autoren sind
Abu Isa ibn Labbun, Abu Bakr Muhammad ibn Ahmad ibn Ruhaim (beide
aus dem 12. Jahrhundert), sowie Ibn al-Labbana aus Denia (gestorben
im Jahre 1113).
Aus dem 13. Jahrhundert kennen wir die beiden ersten wichtigen Autoren und
einen grundlegenden Text für die Geschichte des Valencianischen. Bei
diesem Text handelt es sich um die Planchs de Sen Esteve (Tränen
des hl. Stephan), ein lateinischer Brief mit Paraphrasen auf Valencianisch,
die eigene sprachliche Formen aufweisen im Vergleich zum Katalanischen der
Eroberer. Aber die wahre Herkunft der valencianischen literarischen
Tradition liegt zweifellos bei Pere Pasqual (1222/7-1300), einem
Priester mozarabischer Herkunft, der den wichtigsten Titel der alten
valencianischen Literatur verfasste, die Biblia Parva, sowie andere
Werke religiösen Themas. Neben ihm gilt als wichtigster Autor des 13.
Jahrhunderts Arnau de Vilanova (1238-1311), ein heterodoxer
Schriftsteller und Priester, der vier Bücher auf Valencianisch geschrieben
hat, sowie mehrere auf Latein.
Im 14. Jahrhundert wurde die kulturelle Welt von einer Figur beherrscht,
die wichtiger wegen ihres Antriebs und ihrer bestimmenden Rolle in der
Geschichte Valencias als wegen ihrer Schriften ist: der Dominikaner
Vicent Ferrer (1350-1419). Neben lateinischen theologischen Werken hat
er über 300 Predigten auf Valencianisch gehalten, die die Anwesenden
nachgeschrieben haben. Ferrer war ein strenger Orthodox, sein Werk kann
als ein Gegengewicht zu Arnau de Vilanova angesehen werden. Unter den
anderen Autoren dieses Jahrhunderts, die religiöse Werke verfasst haben,
ist der Dominikaner Antoni Canals (1352-1419) zu erwähnen, der ein
Exerzitien-Buch geschrieben hat: Escala de Contemplacio. Was das
Theater angeht, ist das Misteri d’Elig zu erwähnen, das einzige
mittelalterliche Mysterienspiel, das noch heute aufgeführt wird.
Unter diesen Umständen war nicht vorauszusehen, dass das 15. Jahrhundert
das «Goldene Zeitalter» der valencianischen Literatur sein würde. Die
ganze valencianische Kultur wurde damals unvergleichbar mit den anderen
europäischen Kulturen. Von der Dichtung bis zum Roman, ohne das zu
vergessen, was wir heute Essay nennen, war die Höhe der Schriftsteller
unerreichbar für die anderen Literaturen Europas.
In der religiösen Thematik ist Isabel de Villena (1430-1490) sehr
charakteristisch für eine traditionelle Gattung in unserer Literatur. Ihre
Vita Christi ist gekennzeichnet durch eine grosse Eleganz im Stil
und durch den ständigen Rekurs auf eine Umgangsprache, die das Publikum
verstehen könnte.
Innerhalb der Lyrik bildet Jordi de Sant Jordi (ca. 1400-1425) den
Übergang zwischen den noch wirkenden Troubadours und Ausias March. Er
schrieb sehr wenige Gedichte, deren Schönheit darin liegt, dass sie
versuchen, die künstliche Sprache der Troubadours zu überwinden und sich
an die Volkssprache anzunähern. Diese Aufgabe wurde vollendet von
Ausias March (1397-1459), einer der besten europäischen Dichter aller
Zeiten, der darüber hinaus ein abenteuerliches Leben führte. Seine
Gedichte sind verwurzelt eher im Mittealter als in der italienischen
Renaissance, und liegen uns gefühlsmässig sehr nah. Sein Hauptwerk ist
Cant espiritual (Geistiger Gesang), wo er sein Leben überblickt und
eine Qualität erreicht, die auf Valencianisch nie übertroffen worden ist.
Joan Roïç de Corella (ca. 1433-1497) ist der dritte Dichter. Er
muss sehr gut ausgebildet sein, da seine nicht-lyrischen Schriften ein
Meisterstück der sogenannten «valencianischen Prosa» sind, d.h. einer
Prosa mit lateinischer Syntax und einem beinahe luxuriösen Wortreichtum.
Unter seinen Gedichten ist die Tragedia de Caldesa, die er einer
seiner Liebhaberinnen gewidmet hat, das gelungenste. Jaume Roig
(1434-1478) ist bekannt durch ein einziges Buch, L’Espill (Der
Spiegel), ein langes Gedicht mit 16.359 kleinen Versen, das in einer
populären Sprache und mit einem klar mysoginen Ton geschrieben ist.
Im Bereich der Prosa ist der wichtigste valencianische Roman zu nennen:
Tirant lo Blanch von Joanot Martorell (ca. 1413-1468). Dieser
monumentale Text, der von Cervantes gelobt wurde, ist ein Ritterroman
unerreichbarer Qualität.
In diesem Jahrhundert muss das erste Buch erwähnt werden, das in Spanien
gedruckt wurde: Trobes en llaor de la Verge (1474). Es handelt sich
um eine Sammlung Gedichte, die bei einem poetischen Wettbewerb
konkurrierten — eine damals sehr häufige Gewohnheit, die nur selten ein so
hohes Niveau erreichte wie hier. Trotz des Reichtums,
den das 15. Jahrhundert für die
valencianische Literatur bedeutete, verstärkte sich die Kastilisierung des
Adels und der gebildeten Schichten seit dem 16. Jahrhundert, und
insbesondere seit dem Ende des Germanies-Krieges im Jahre 1521. Die
Dekadenz beginnt da und versinkt die valencianische Kultur bis zum 19.
Jahrhundert. In diesen 300 Jahren beinahe totaler Leere können wir einige
Autoren erwähnen, die die valencianische Sprache und Kultur am Leben
erhalten haben. Aus der heutigen Perspektive sieht es so aus, als hätten
sie wenig getan oder nur den Schwanengesang einer unvermeidbar vergangenen
Epoche angestimmt. Wir müssen aber bedenken, dass diese Autoren sehr
tapfer gewesen sind, indem sie in einer Sprache geschrieben haben, die für
ein unwürdiges Vehikel literarischer oder gelehrter Tätigkeiten gehalten
wurde.
Im 16. Jahrhundert können wir noch Namen wie Joan Timoneda
(1518-1583) erwähnen, ein zweisprachiger Autor, der auf Valencianisch
Flor d’enamorats geschrieben hat und der erste gewesen ist, der sein
Hauptwerk entschlossen auf Spanisch geschrieben hat. Was die
Geschichtsschreibung angeht, ist die monumentale Historia de Valencia
von Pere A. Beuter das erste Werk in dieser Gattung.
Im 17. Jahrhundert gibt es nur einen Namen, und zwar bei der satirischen
Dichtung — eine Gattung, die in späteren Jahrhunderten stark vertreten
wird. Es handelt sich um Francesc Mulet (geboren 1624), ein
Barockautor, dessen Tractat del pet (Abhandlung über den Furz) noch
bekannt in Valencia ist und dessen Obszönität untypisch bei einem Kleriker
ist.
Im 18. Jahrhundert gibt es zwei Autoren, die später sehr wichtig für die
Renaixença wurden: Carles Ros (1703-1773), ein Gelehrter, der auf
Spanisch das Buch Origen y grandezas del idioma valenciano (Herkunft
und Grösse der valencianischen Sprache) verfasste, sowie kleine Gespräche
auf Valencianisch und eine Sprichwörtersammlung. Er verteidigte offen die
valencianische Sprache und verfasste das, was wir heute Schulbücher für
deren Erlernung nennen. Der zweite Autor ist Lluïs Galiana
(1740-1791), dessen Rondalla de rondalles ein erzählendes Werk in
der Tradition des Volksmärchens ist, dessen Sprache voll von
Volksausdrücken ist.
Es ist aber im 19. Jahrhundert, wenn die valencianische Literatur boomt
dank einer Bewegung, die als Renaixença bekannt ist und die nicht
nur in Valencia, sondern auch in den anderen Gebieten der okzitanischen
Sprachen stattfand: von der Provence bis zu den Balearen. So wurde die
Verbindung wiederhergestellt, die seit den Troubadours unterbrochen war
wegen der Verzichtleistung der beginnenden Aragonischen Krone auf die
Ausdehnung nördlich der Pyrenäen. Das Ergebnis dieser Bewegung war ein
Nobelpreis am Anfang des 20. Jahrhunderts für den okzitanen Frederic
Mistral und vor allem das Blühen der literarischen Tätigkeit im
Valencianischen, das nur ab 1936 mit Francos Staatsstreich und
darauffolgender Diktatur aufgehalten wurde.
Die wichtigste Persönlichkeit der Renaixença in Valencia war Teodor
Llorente (1836-1911): Dichter, Journalist und Politiker. Er hatte eine
nur kulturelle Ansicht einer Bewegung, die — hätte er es so gewollt —
nationalpolitische Folgen hätte haben können, wie in Katalonien.
Diesem Konservatismus setzte Constanti Llombart (1848-1893) sich
entgegen, der Llorentes Regionalismus in einen Nationalismus umwandelte,
der versuchte, aus dem Valencianischen nicht nur eine literarische,
sondern auch eine Umgangsprache zu machen. Sein monumentales Werk Los
fills de la morta-viva (Die Kinder der tot-lebenden Sprache) enthält
bibliographische Notizen über die valencianischen Schriftsteller seit dem
18. Jahrhundert.
Das Theater war im 19. Jahrhundert eine sehr populäre Gattung, aber es
lieferte wichtige Namen nur in der Posse. Josep Bernat i Baldovi
(1809-1864) und Eduart Escalante (1834-1895) schrieben ein
humorvolles Volkstheater, das heute höher geschätzt wird, obwohl es von
den zeitgenössischen literarischen Strömungen nicht beeinflusst wurde.
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I.S.B.N. 84-89737-31-2 Verlag: L'Oronella Valencia, 2001 Koordinator: Pau Giner i Bayarri Autoren: Antoni Fontelles i Fontestad, Angel Vicent Calpe i Climent, Josep Giner i Ferrando, Josep Carles Rubio. |